TaeKwonDo-Grundschule
I. Allgemeines
Die Grundschule des Taekwondo hat eine äußere und
eine innere Seite. Mit "äußerer" Seite sind grundlegende und immer
wiederkehrende Elemente der Taekwondo-Technik gemeint. Die "innere" Seite
befasst sich vor allem mit der korrekten Atmung als Grundlage jeder
Taekwondo-Technik.
1. Äußere Seite
Zentrales Element der äußeren Seite des Taekwondo
ist die Balance. Ohne sichere Balance kann keine wirkungsvolle Technik
ausgeführt werden. Wer die Balance verliert, verliert auch die
Fähigkeit zur Vorbereitung der nächsten, sich unmittelbar
anschließenden Technik. Im Freikampf führt der Verlust der Balance
zum Verlust der Kontrolle und des Überblicks über die jeweilige
Kampfsituation.
Sprichwörtliche Grundlage einer guten Balance ist eine
sichere Stellung. Das Taekwondo kennt verschiedene Grundstellungen, die
jeweils für die Ausführung bestimmter offensiver oder defensiver
Techniken besonders geeignet sind (Bsp: hohe oder tiefe Vorderbalance;
Hinterbalance; hohe oder tiefe Reiterstellung).
Um bei der Ausführung dynamischer Schlag-, Stoß-
oder Tritttechniken die Balance zu bewahren, ist es erforderlich, dass
jede Bewegung durch eine Gegenbewegung begleitet
wird, also durch eine Bewegung in der entgegengesetzten Richtung, mit
vergleichbarer Intensität. Entsprechen sich der Krafteinsatz von Bewegung
und Gegenbewegung und erfolgen diese gegenläufig, so neutralisieren sie
sich in ihrer Wirkung auf den Schwerpunkt des eigenen Körpers. Die eigene
Balance bleibt selbst bei harten Tritten oder Schlägen
gewahrt.
Die mögliche Wirkung einer Technik steht in unmittelbarer
Beziehung zu der Energie, mit der ein Stoß, Schlag oder Tritt auf sein
Ziel trifft. Die Energie einer Taekwondo-Technik besteht vor allem aus
Bewegungsenergie. Bewegungsenergie ist definiert als
½m*v2 (m: Masse; v: Geschwindigkeit). Dies macht deutlich, dass
die Bewegungsenergie einer Technik vor allem von der Endgeschwindigkeit
einer Technik abhängt, also von der Geschwindigkeit mit welcher die
Faust, der Fuß, der Ellbogen etc. auf sein Ziel trifft. Eine Verdoppelung
der Endgeschwindigkeit vervierfacht die Bewegungsenergie einer
Technik!
Weiterhin gilt v=½a*t (a: Beschleunigung; t: Zeit), d.h.,
die Endgeschwindigkeit einer Technik richtet sich nach dem Grad der
Beschleunigung und der Dauer der Beschleunigung. Der maximale
Beschleunigungsgrad einer Technik ist von Person zu Person verschieden. Er
hängt von physischen Voraussetzungen wie dem Verhältnis von
(Muskel-)Kraft zu Körpergewicht (a=F/m; F: Kraft) oder der Muskelstruktur
ab. Beides lässt sich durch entsprechendes Training stark verbessern.
Bedeutsam sind zudem technische Elemente wie eine gute muskuläre
Vorspannung vor der Ausführung einer Technik.
Die Dauer der Beschleunigungsphase einer Technik hängt
vor allem von der Länge des Weges ab, der für die Beschleunigung
zur Verfügung steht. Ein längerer Beschleunigungsweg
verlängert die Beschleunigungsphase und führt damit zu einer
höheren Endgeschwindigkeit der jeweiligen Technik. Ein längerer
Beschleunigungsweg bedeutet allerdings auch, dass mehr Zeit vergeht, bevor eine
Technik ihr Ziel erreicht. Die für die Beschleunigung jeweils
verfügbare Wegstrecke wird bestimmt durch die Art der Technik und
die Form der Technikausführung. So besitzt ein Ap-Chagi eine
kürzere Beschleunigungsphase als ein Dollyo-Chagi. Sind – wie im
Freikampf – sehr schnelle Reaktionen erforderlich, ist deshalb ein
Ap-Chagi einem Dollyo-Chagi vorzuziehen. Kommt es – wie beim Bruchtest
– vor allem auf eine maximale Kraftentfaltung an, so ist der klassische
Dollyo-Chagi mit seinem längeren Beschleunigungsweg einem Ap-Chagi oder
einem Ap-Dollyo-Chagi überlegen.
Eine wichtige praktische Konsequenz aus den vorstehend
beschriebenen Zusammenhängen zwischen Bewegungsenergie, Endgeschwindigkeit,
Beschleunigungsgrad und Beschleunigungsweg ist, dass jede Taekwondo-Technik
durch die Hüfte eingeleitet und unterstützt
wird. Der Hüfteinsatz vergrößert die Vorspannung, welche in den
für die jeweilige Bewegung kritischen Muskelgruppen aufgebaut werden kann.
Durch den Einsatz der Hüfte werden zudem die Rumpfmuskeln
beschleunigungsunterstützend eingesetzt. Zuletzt führt der
Hüfteinsatz zu einer Verlängerung des Beschleunigungsweges und
erhöht damit die maximal erreichbare Endgeschwindigkeit und damit auch die
mögliche Wirkkraft einer Technik.
Je höher die Energie einer Technik beim Auftreffen auf
das Ziel, desto größer ihre potenzielle Wirkung. Die
tatsächliche Wirkung einer Technik auf das Zielobjekt wird zum einen
maximiert durch eine möglichst kleine und harte Trefferfläche
(Fußballen, Knöchel der Faust, Ferse, Ellbogen etc.). Eine kleinere
Trefferfläche bedeutet, das eine größere Energiedichte pro
cm2 auf das Zielobject einwirkt.
Zweitens und wichtiger: der eigene Körper wird im
Moment der Einwirkung einer Technik auf das Ziel für den Bruchteil einer
Sekunde angespannt. Er wirkt dadurch wie ein Block. Dies verhindert
weitgehend, dass die in einem Tritt, Stoß oder Schlag enthaltene
Bewegungsenergie wieder teilweise auf den eigenen Körper
zurückübertragen wird. Die Blockwirkung des Körpers lässt
sich zudem durch einen sicheren Stand im Moment des Einwirkens einer
Technik erheblich steigern. Eine praktische Folge der beschriebenen
Blockfunktion des Körpers ist, dass die Techniken des Taekwondo in einem
steten Wechsel von Anspannung und Entspannung erfolgt. Je entspannter der
Körper zwischen einzelnen Techniken ist, desto größer ist die
Geschmeidigkeit und Schnellkraft der eigenen Bewegungen und damit auch die
Endgeschwindigkeit und Wirkungskraft einzelner Techniken.
2. Innere Seite:
Die innere Seite des Taekwondo bildet das eigentliche
Fundament für eine erfolgreiche Entwicklung der oben beschriebenen
äußeren Elemente. Fehlt es an der inneren Seite, so bleiben die
äußeren Fortschritte einer Taekwondo-Sportlerin oder eines
Taekwondo-Sportlers hinter dem zurück, was er oder sie zu leisten imstande
wäre.
Wichtigstes Element der inneren Seite des Taekwondo ist die Atmung. Der eigene Atem ist Ausdruck und Transportmedium der eigenen
Energie. Die Fähigkeit zur Steuerung und Kontrolle der eigenen Atmung ist
deshalb der Schlüssel zur Steuerung und Kontrolle der eigenen Energie.
Über eine entsprechende Atmung lässt sich die eigene Energie auf ein
Ziel hin konzentrieren. Durch spezielle Atemübungen, aber auch durch das
Taekwondo-Training allgemein, wird die Fähigkeit zur wirksamen Kontrolle
der eigenen Atmung geschult.
Eine passende Atmung begleitet und unterstützt jede Technik des Taekwondo. Allgemein gilt: in der passiven Phase einer Technik wird eingeatmet. In der aktiven Phase (Ausführung der Technik) wird ausgeatmet, teilweise unterstützt durch einen Kampfschrei. In dem Moment des Auftreffens einer Technik auf ihr Ziel wird das Ausatmen gegen den Druck des Zwerchfells abrupt gestoppt. Hierdurch wird die kurzfristige Anspannung des gesamten Körpers unterstützt und "getaktet". Sofort danach wird normal und entspannt weitergeatmet und damit die nachfolgende Entspannung des Körpers unterstützt.
Foto: Seol Jeok-Un, Golgulsa-GyeonJu, Aug. 2012
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